[Erforderliche Formatierungsanpassungen: 1.) Für Zeichensatzschwierigkeiten: Kleine Umlaute: äöü, Große Umlaute: ÄÖÜ, Eszet: ß 2.) In 'Enyali"e' und 'Namari"e' jeweils "e zu e-Tremma machen. 3.) in Preisangaben ("L 20") das L zum Pfund-Zeichen machen. 4.) \emph{können} zu "können" in Kursivsatz machen. ] OXONMOOT 1999 -oder- HIN UND WIEDER ZURÜCK von Christian Weichmann und Sebastian Klein Wie jedes Jahr Ende September fand auch diesmal vom 24. bis zum 26. September in Oxford das Oxonmoot statt. Dies ist das große Treffen der Englischen Tolkien Society, an dem mehr als einundelfzig Tolkien-Fans aus ganz Europa teilnehmen. Wir waren für Euch (und für uns!) dabei. Das Oxonmoot fand, wie schon seit einigen Jahren, am Exeter College statt; dies ist das College, an dem Tolkien von 1911 bis 1913 als Undergraduate studiert hat (... es sei denn, er hatte einen Zwillingsbruder namens "Renel", denn im Student Register des College steht "John Ronald Renel Tolkien" ...). In den dortigen Studentenzimmern, die wegen der Semesterferien zur Verfügung standen, hatten die meisten Teilnehmer auch Quartier genommen. Es ging los am Freitag abend um 18 Uhr mit der offiziellen Eröffnung durch Lyn Hamilton, die die Organisation geleitet hatte (Oxonmoot Subcommittee Chair"man"). Anschließend gab es ein Abendessen im traditionsreichen Restaurant "The Mitre". Dabei wurde Tolkien durch die alte, numenoreanische Tradition des Sich-nach-Westen-wendens (... oder in die Richtung, in die sich die anderen alle gewendet haben ...) gedacht wurde. Nach dem Essen konnte im College Pub bei gutem Trank über Tolkien und anderes geplaudert werden. Derweil suchte Angela "Angie" Gardner nach Opfern - Anmeldungen - für das Quiz am nächsten Morgen. Hierbei ließ sie keine Gnade walten und keine Entschuldigung gelten. Leichtfertigerweise haben wir uns - zusammen mit Mathias Daval von der französischen Tolkiengesellschaft - breitschlagen lassen. Ebenfalls von Angie organisiert war ein Kennenlern- und Gewinnspiel für die "Firsttimer", die erstmaligen Teilnehmer am Oxonmoot. Dabei ging es darum, bis zu zehn Fragen über sich selbst und über seine Beziehung zu Tolkien mit jeweils genau einem(!) Wort zu beantworten. Nach Mitternacht zerstreute sich die Gesellschaft im Pub langsam und die Room Parties begannen. Dabei handelt es sich um eine besondere Spezialität des Oxonmoot: Jeder Teilnehmer, der dies will, kann in seinem Zimmer im College zusammen mit anderen reden, saufen, feiern, und auch sonst tun, was ihm beliebt (solange es nicht den Satzungen des Colleges, der Stadt Oxford oder den englischen Gesetzen zuwiederläuft ...). Eine traditionelle und besonders bemerkenswerte Room Party ist der "Telerin Circle". Hier sitzt man in einer Runde beieinander, um sich Lieblingsstellen aus den Werken Tolkiens vorzulesen. Die anfängliche Scheu vor dem Vorlesen, die man vielleicht -- zumal als Nicht-Engländer -- haben mag, wird schnell durch die Freude des gemeinsamen Geniessens der Werke Tolkiens überwunden. Erst zu sehr später Stunde sieht man das Bett ... Der nächste Morgen begann -- nach dem typisch englischen Frühstück mit sausage, ham, eggs und beans -- mit dem Quiz. Hierbei traten die am Vorabend von Angie angeworbenen Dreiergruppen von Kandidaten im KO-System gegeneinander an, um Fragen aus den fünf Themengebieten "Herr der Ringe (1 Punkt)", "Der Hobbit und Hobbits (2 Punkte)", "Erstes und Zweites Zeitalter (3 Punkte)", "Leben und Sprachen Tolkiens (4 Punkte)" und "Kleinere Werke und Gedichte (5 Punkte)" zu beantworten. Die Fragen brachten einen ganz schön zum Schwitzen ("Nenne möglichst viele Ponys aus dem Herrn der Ringe -- außer Lutz!" -- Jaja, so ist das: wenn man abends betrunken etwas unterschreibt, bereut man es am nächsten Morgen mit Sicherheit ...) und wenn einmal eine einfache Frage dazwischengerutscht sein sollte ("Wie viele Silmarils gab es?"), so konnte man sicher sein, daß sie das gegnerische Team bekam. So kam es dann auch, daß wir leider die erste Runde -- trotz unseres Teamnamens "Chosen for the Lucky Number" (abgekürzt "Lucky") -- nicht überstanden. Anschließend gab es einen Vortrag von David Craig über Sexualität im Herrn der Ringe. Hierbei ging es im wesentlichen um zwei Themen, nämlich erstens die Rolle der Frau im Herrn der Ringe (sehr konservativ -- als häusliche Frau und vom Mann bestimmt -- wie bei Tolkien wohl nicht anders zu erwarten) und zweitens um die Frage, ob es Homosexualität im Herrn der Ringe gibt (nach Ansicht Tolkiens natürlich nicht, andere Leute sehen das anders). (Andere Ansichten zu beiden Punkten werden gerne im Flammifer veröffentlicht ...) Einstweilen nahmen einige Besucher an einem Workshop von Rob Inglis, dem Sprecher der sehr guten vollständigen englischen Hörbuch-Ausgaben vom Hobbit und vom Herrn der Ringe, zum dramatischen Sprechen teil. Dieser Workshop diente auch dazu, die Teilnehmer darauf vorzubereiten, in Schulen Textstellen aus den Werken Tolkiens vorzutragen, um die Schüler von Tolkien zu begeistern. Mittags fand dann Priscilla's Reception statt: Priscilla ist Priscilla Mary Reuel Tolkien, Tochter des Professors -- und damit ist schon klar, welche besondere Bedeutung dieser mittägliche Empfang bei einem Buffet hat. Hier hatte, nach einleitenden Reden und nachdem Priscilla von der Tolkien Society ein Geschenk zu ihrem 70. Geburtstag erhalten hatte, jeder die Gelegenheit, mit einem Familienmitglied JRRT's zu reden und Einblicke in persönliche Erinnerungen an ihn zu gewinnen. Das danach vorgesehene Konzert des dänischen Tolkien Ensembles verzögerte sich aufgrund von technischen Schwierigkeiten um etwa eine Stunde. Das war aber (außer für diejenigen, die die Technik aufzubauen hatten) keinesfalls bedauerlich, denn es gab mehrere Angebote, die den ganzen Tag über offenstanden und in dieser Zwangspause gut genutzt werden konnten. Hier ist zunächst der Verkaufsraum zu nennen, wo man fast alles, was von und über Tolkien auf dem Markt ist, kaufen konnte, von Büchern und CDs über Postkarten und Kalendern bis hin zu T-Shirts, Zinnfiguren und Kelchen aus Silberzinn. Beschränkt wurde man dabei nur durch das Gewicht im Gepäck und -- besonders! -- durch den Inhalt der Geldbörse. Eine weitere Möglichkeit, seine Zeit zu verbringen, war die Kunstausstellung. Hier waren Bilder, Kostüme und Modelle, hauptsächlich zu Tolkiens Werken, zu besichtigen und einige davon auch zu ersteigern. Die Preise rangierten dabei zwischen zehn und mehreren hundert Pfund. Manche, und viele der besten Werke, waren jedoch unverkäuflich. Schließlich gab es auch noch Räume, um sich in geselliger Runde zu treffen und über die Werke des Professors zu diskutieren. Nachdem die Pause nun also derart angenehm verbracht worden war, fand endlich das Konzert statt. Dargeboten wurden von den Musikern komponierte Vertonungen von Gedichten aus dem Herrn der Ringe und aus Die Abenteuer des Tom Bombadil. Die Musik gab die Stimmung der jeweiligen Szenen in meisterhafter Art und Weise wieder; zuzuhören war eine wahre Freude. Eine CD mit vielen der gespielten Stücke ist übrigens unter dem Namen "An Evening in Rivendell" z.B. von der Tolkien Society Trading erhältlich, eine weitere CD ist in Vorbereitung. Anschließend trafen sich spontan Mitglieder der verschiedenen internationalen Tolkiengesellschaften zum Erfahrungsaustausch und zur Koordinierung gemeinsamer Arbeit. Dabei wurde vereinbart, daß das Archiv der Tolkien Society auch Zeitschriften der internationalen Gesellschaften sammelt, und daß ihm diese daher von den Gesellschaften zugeschickt werden sollen (sofern dies nicht ohnehin schon geschieht). Zudem ist darauf hingewiesen worden, daß die Möglichkeit besteht, auch internationale Termine im Amon Hen (der Zeitschrift der Tolkien Society) veröffentlichen zu lassen. Diese Termine sollten, soweit möglich und sinnvoll, zwischen den verschiedenen Gesellschaften abgestimmt werden, um ärgerliche Überschneidungen und unfreiwillige Konkurrenz zu vermeiden. Außerdem wurden Vorschläge zur internationalen Zusammenarbeit bei der Förderung der wissenschaftlichen Erschliessung und der Verbreitung der Werke von Professor John Ronald Reuel Tolkien, CBE, und anderer Werke, die zu einem Vergleich herausfordern, diskutiert. Abschließend wurde vereinbart, sich künftig regelmäßig beim Oxonmoot zum weiteren Erfahrungsaustausch zu treffen. Als letzten Punkt des Tagesprogramms gab es eine Dia-Vorführung von mißlungenen, unfreiwillig komischen oder schlichtweg untauglichen Illustrationsversuchen zu den Werken Tolkiens. Diese wurden unter großer Heiterkeit präsentiert. Nach dem Abendessen (das von jedem selbst zu organisieren war) begann das Abendprogramm. Dieses bestand aus einer Party mit unterhaltsamen Darbietungen. Das Highlight waren die Vorführung der neuerworbenen Fertigkeiten einiger Teilnehmer des Workshops von Rob Inglis. Hier wurde neben Stellen aus den Werken Tolkien auch eine humorvolle, freie Nacherzählung des Mythos von Sir Gawain und dem grünen Ritter zum Besten gegeben. Vor allem letztere, die in drei Teilen über die ganze Party verteilt vorgetragen wurde, begeisterte sowohl jene, die die Geschichte von Gawain schon kannten, als auch die, die sie noch nicht kannten, und ließ keinen Zweifel daran, daß das Ziel, Schüler von Tolkien zu begeistern, erreicht werden wird. Eine andere Attraktion des Abends war der Kostümwettbewerb. Hier waren unserer Meinung nach besonders erwähnenswert eine Hobbit-Hausfrau, dargestellt durch die jüngste Teilnehmerin des Oxonmoots, eine originelle Repräsentation eines Haradrim als arabischer "Freiheitskämpfer" komplett mit Kopftuch und Krummsäbel, und natürlich der Gewinner, ein wirklich hervorragender Chrysophylax. Mit diesen und vielen anderen Unterhaltungen schritt die Zeit schnell voran, bis schließlich ein gemeinsamer Gesang den Abschluß bildete. Hier wurden Lieder mit wohlbekannter Melodie, jedoch eher weniger wohlbekanntem, weil Tolkien-angepaßtem, Text gesungen. (Derart fragwürdige Machenschaften wurden ja auch schon im Juli auf dem Tolkien-Thing praktiziert.) Danach gab es, wie schon am Abend zuvor, Room Parties, so daß auch an diesem Tage die Aktivitäten bis weit in die Nacht andauerten. Sonntag vormittag fand die Enyali"e-Zeremonie statt. Dabei handelt es sich um eine an Tolkiens Grab in der Wolvercote Cemetery stattfindende Gedenkfeier mit einer kurzen Ansprache, einer Schweigeminute, einem Namari"e-Gesang (in der Vertonung von Donald Swann, vorgetragen von Denis Bridoux) und Niederlegung von Kränzen. Anschließend wurde den "Firsttimern" und einigen, bei Priscilla's Reception handverlesenen, Weiteren die besondere Ehre zuteil, Priscilla in ihrem Haus in Oxford zu besuchen. Diese enge Beschränkung des Teilnehmerkreises ist leider erforderlich, um eine Überfüllung des Hauses und vor allem eine Überlastung von Priscilla zu verhindern. Bei dieser Gelegenheit konnte nicht nur mit Priscilla sondern auch mit John Francis Reuel Tolkien, dem ältesten Sohn des Professors geredet werden. Außerdem gab es eine große Sammlung von Erinnerungsstücken zu bewundern. All denjenigen, die Gelegenheit zu diesem Besuch hatten, wird er sicherlich ihr Leben lang in Erinnerung bleiben. Mit einem abschließenden Mittagessen im College endete das Oxonmoot offiziell. Fazit: Das Oxonmoot ist eine wirklich gelungene Veranstaltung, auf der man viele nette Leute trifft, über viele interessante Dinge redet und auch sonst viel Spaß dabei hat. Wir können eine Teilnahme jedem Tolkien-Fan nur dringendst ans Herz legen. Einziger Wermutstropfen: Die Kosten. Vor allem die Unterbringung im College ist mit L 80 für zwei Nächte (inkl. Frühstück) recht teuer; zwar kann man natürlich auch anderweitig ein Quartier buchen, dadurch geht jedoch ein erheblicher Teil des Flairs der Veranstaltung (z.B. wegen der Room Parties) verloren. Der Preis für die Registrierung selbst beträgt L 18 für Mitglieder der Tolkien Society und L 30 für Nicht-Mitglieder; auch dies ist nicht ganz billig, vor allem wenn man den (kürzlich drastisch angehobenen) Beitrag für die Mitgliedschaft berücksichtigt und bedenkt, daß das Freitagabendessen und das Sonntagmittagessen getrennt zu bezahlen sind. Natürlich liegt diesen Preisen keine Boshaftigkeit oder Bereicherungswille der Tolkien Society zugrunde, sondern sie sind Konsequenz des besonderen Ortes des Oxonmoots und des allgemeinen Preisniveaus in England. Abschließend einige Hinweise zur Reise nach England: Prinzipiell gibt es drei Fortbewegungsmöglichkeiten, die einen rasch und sicher nach England bringen \emph{können}: Auto, Eisenbahn und Flugzeug. (Keines der drei ist wirklich sicher, und keines der drei ist zuverlässig rasch.) Das Auto sollte man aus finanziellen und ökologischen Gründen, sowie um übermäßigen Streß zu vermeiden, wohl nur dann verwenden, wenn man sich zu mehreren zusammentut. Außerdem ist Oxford eine gewollt Auto-unfreundliche Stadt, es gibt wenig Parkplätze und die Innenstadt ist kaum befahrbar. Mit der Eisenbahn steht eine sehr komfortable, schnelle und auch einigermaßen billige Reisemöglichkeit zur Verfügung: Mit dem Thalys gelangt man nach Brüssel, von wo aus man vom Eurostar nach London Waterloo gebracht wird. Von da ab fährt man -- nach einer kurzen Fahrt mit der U-Bahn -- von London Paddington(!) nach Oxford. Wichtig ist hierbei, daß die Fahrten im Thalys und Eurostar so frühzeitig wie möglich, mindestens 6 Wochen vor der Reise gebucht werden müssen. Der Nahverkehrszug von London nach Oxford muß hingegen nicht im Voraus gebucht werden. (Es ist jedoch anscheinend billiger, auch diese Karte schon in Deutschland zu kaufen.) Das Flugzeug ist in der Theorie das schnellste Beförderungsmittel, praktisch muß man natürlich Wartezeiten, die An- und Abreise zum Flughafen sowie mögliche Verzögerungen oder sogar Umleitungen wegen Nebel o.dgl. berücksichtigen; dann wird der Vorsprung zur Bahn zumindest deutlich geringer. Das Flugzeug hat jedoch den Vorteil, daß es kurzfristiger gebucht werden kann als der Thalys bzw. Eurostar. Nutzt man Sonderangebote, muß auch der Preis nicht höher liegen als bei der Zugfahrt. (Warnung: Der Flughafen London Luton liegt nicht etwa in London, sondern circa dreißig Kilometer entfernt. Will man von dort nach Oxford gelangen, muß man mit dem Zug fahren und in London (unter Zuhilfenahme der U-Bahn nach Paddington) umsteigen; für die Fahrt veranschlage man zwei bis drei Stunden.) (Zweite Warnung: Der Expreßzug von London Heathrow nach London Paddington ist zwar sehr bequem, die Hin- und Rückfahrt kostet jedoch L 22.) Wir sehen uns -- hoffentlich alle! -- wieder beim Oxonmoot 2000! P.S.: Wer findet das Satzfragment in diesem Artikel, das auch noch an anderer Stelle in diesem Flammifer vorkommt?